Über das Projekt

VisibLL

–  Schüler/innen erforschen die (un)übersehbare Mehrsprachigkeit der Wiener Linguistic Landscape

Shop, Café, Döner – wer durch Wien geht, sieht Ladenschilder und Werbeplakate in mehr als 100 Sprachen. Die unterschiedlichen Aufschriften, die den öffentlichen Raum mitgestalten und an denen man kaum vorbeisehen kann, bilden die Linguistic Landscape der Stadt. Sie helfen bei der Orientierung, weisen auf Verbote und Bestimmungen hin, erinnern an Vergangenes und ermuntern uns zum Einkaufen. Gleichzeitig zeigen sie so die Rolle auf, die die Sprachen, die dafür verwendet werden, in unserer Lebenswelt spielen. Welche Sprachen sind häufig sichtbar und welche nicht? Wofür werden bestimmte Sprachen verwendet, und wie erkennt man überhaupt, welche Sprache es ist? Wer bestimmt, was gezeigt wird, und wie wirkt das auf jene, die die Aufschriften sehen? Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich das Projekt VisibLL beschäftigt hat.

Bei VisibLL haben insgesamt über 80 Schüler*innen im Alter von 15 bis 17 Jahren aus zwei Wiener Partnerschulen als Citizen Scientists gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Universität Wien die Wiener Linguistic Landscape des 5. und 8. Bezirks erforscht. Zuerst bei freien Forschungsspaziergängen im ganzen Bezirk und dann in einem bestimmten Untersuchungsgebiet auf der Reinprechtsdorfer und der Josefstädter Straße haben sie all jene Aufschriften fotografiert und annotiert, bei denen ihrer Meinung nach andere Sprachen als Deutsch (auch) vorkommen. Dafür verwendeten sie die App Lingscape auf dem Smartphone (https://lingscape.app/). So sind über 3400 Fotos entstanden, die das Herzstück der VisibLL-Daten für die wissenschaftliche Auswertung bilden.

Die Ergebnisse zeigen, dass Englisch mit Abstand die häufigste nicht-deutsche Sprache in der Wiener Linguistic Landscape ist: Auf knapp drei Viertel aller dokumentierten Aufschriften identifizierten die Schüler*innen englische Wörter. Mit einigem Abstand folgen die typischen Schulfremdsprachen Italienisch und Französisch, welche besonders im Zusammenhang mit Gastronomie und Lifestyle vorkommen (z.B. Gelato, Boutique). Relativ häufig wurden auch Wörter verzeichnet, die mehreren Sprachen zugeordnet werden können, wie zum Beispiel Restaurant oder Garage. Die gängigsten Migrationssprachen in Wien wie Bosnisch/Kroatisch/Serbisch/Montenegrinisch oder Türkisch wurden hingegen nur zu einem geringen Prozentsatz in der Linguistic Landscape gefunden.

Schüler*innen und universitäre Wissenschaftler*innen diskutierten gemeinsam kritisch diese Bestandsaufnahme der Wiener Sprachlandschaft, wer letztere überhaupt gestaltet (z.B. Geschäftsleute, öffentliche Verwaltung, Passant*innen) und wie man sie verändern könnte. Mit den zusammengetragenen Funden, Ergebnissen und Erfahrungen gestalteten die Schüler*innen zwei öffentliche Ausstellungen, die jeweils im Bezirksmuseum Josefstadt und im Bezirksamt Margareten sowie im Wissens°raum im 5. Bezirk zu sehen waren. Um auch anderen Schulklassen und Lehrer*innen zukünftig die Erforschung der Mehrsprachigkeit in der Linguistic Landscape nahezubringen, wurden an der Universität Wien entsprechende Unterrichtskonzepte entwickelt und mit einer dritten Wiener Partnerschule erprobt.

VisibLL ist ein interdisziplinäres Projekt, das Sprachwissenschaft mit Wissenschaftsdidaktik verbindet. Durch die Erforschung der Mehrsprachigkeit in der eigenen Linguistic Landscape erlangten die Schüler*innen ein tieferes Bewusstsein für die zugrundeliegenden sprachlichen und gesellschaftlichen Dynamiken. Sie erhielten Einblicke in wissenschaftliche Methoden und berichteten eine höhere Wertschätzung für sprachliche Vielfalt. Die Dokumentation und Analyse der Mehrsprachigkeit in der Wiener Linguistic Landscape aus Sicht der Schüler*innen, die damit auch definierten, welcher Sprache sie bestimmte Wörter zuordnen, liefert wiederum einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung in den Bereichen Sprachwahrnehmung und Sprachkontakt. Zusätzlich hat VisibLL dazu beigetragen, den Citizen-Science-Ansatz in den Geisteswissenschaften weiter zu etablieren.

VisibLL

– High-schoolers investigate the (in)conspicuous multilingualism of the Viennese Linguistic Landscape

Shop, Café, Döner – anyone walking through Vienna will encounter shop signs and advertising posters in more than 100 languages. The diverse body of signs that populate public space and are almost impossible to ignore form the city’s ‘linguistic landscape’. They help with orientation, point out regulations, memorialize the past, and encourage us to shop. At the same time, they reveal the role that the languages ​​used for these purposes play in our everyday lives. Which languages ​​are frequently visible, and which are not? What are particular languages ​​used for, and how do we even recognize which language it is? Who determines what is displayed, and what effect does this have on those who see the signs? These are the central questions addressed by the project VisibLL.

Under VisibLL, over 80 students aged 15 to 17 from two Viennese partner schools explored the linguistic landscape of the 5th and 8th city districts as citizen scientists, together with researchers from the University of Vienna. First, they went on walking excursions in their school district to photograph and annotate all signs on which they (also) identified languages ​​other than German. Then, they documented the same in a specific area of investigation on Reinprechtsdorfer and Josefstädter Straße. They used the Lingscape app on their smartphones (https://lingscape.app/) for this documentation, contributing over 3,400 photos to build the VisibLL data corpus for scientific analysis.

The results show that English is by far the most common non-German language in the Viennese linguistic landscape: the students identified English words on almost three-quarters of all documented signs. Words in Italian and French, as typical foreign languages ​​of schooling, come in next but far behind; they are particularly associated with gastronomy and lifestyle (e.g., gelato, boutique). Words that can be assigned to multiple languages, such as restaurant or garage, were also recorded relatively frequently. The most common Viennese migrant languages, such as Bosnian/Croatian/Serbian/Montenegrin or Turkish, were only found on a small percentage of signs in the linguistic landscape.

Students and university researchers subsequently critically discussed this make-up of the Viennese linguistic landscape, as well as who actually shapes it (e.g., businesspeople, public administration, passersby), and how it could be changed. Based on the compiled artefacts, results, and experiences, the students created two public exhibitions, which were displayed at the Bezirksmuseum Josefstadt and the Bezirksamt Margareten, as well as at the Wissens°raum in the 5th district. In order to encourage and enable other school classes and teachers to explore multilingualism in the linguistic landscape beyond the project, respective teaching packages were developed at the University of Vienna and tested with a third Viennese partner school.

VisibLL is an interdisciplinary project that combines linguistics with science education. By exploring multilingualism in their own linguistic landscape, the participating students acquired a deeper awareness of the underlying linguistic and social dynamics. They gained insights into scientific methods and reported a greater appreciation for linguistic diversity. The documentation and analysis of multilingualism in the Viennese linguistic landscape from the perspective of the students, who thereby also define to which language certain words should be assigned, in turn makes a significant contribution to scientific research in the fields of language perception and contact. VisibLL also contributed to further promoting the citizen science approach in the humanities.